Palm-Stiftung

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Dankesrede von Asja Tretyuk, freie Journalistin aus Weißrussland

Sehr geehrte Frau Dr. Maria Palm,
sehr geehrte Vertreter der Johann-Philipp-Palm-Stiftung,
sehr geehrte Kuratoren,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

vielen Dank für die Ehre, die mir heute durch die Auszeichnung mit diesem hochangesehenen Preis erwiesen wurde. Es ist der Preis einer Stiftung, die den Namen eines mutigen deutschen Patrioten, des kühnen Buchhändlers und Verlegers Johann Philipp Palm trägt. Unwillkürlich muß ich das, was ich heute hier sehe und empfinde, damit vergleichen, wie man mit Journalisten in meiner Heimat umgeht. Dadurch gewinnt dieser Preis für mich eine besondere Bedeutung.

Ich komme aus einem Land, in dem der Abbau wirtschaftlicher Reformen in vollem Gange ist. Ein Land, in dem eines der grundlegenden Prinzipien der Demokratie, der Grundsatz der Gewaltenteilung, nicht funktioniert, in dem die Justiz der Exekutive vollständig untergeordnet ist und in dem das Parlament entmachtet ist, weil die Gesetze im Land durch Dekrete des Präsidenten ersetzt werden, die meist die Rechte und Freiheit der Persönlichkeit und der Zivilgesellschaft einschränken.

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache: Das Wahlsystem der Republik Weißrußland entspricht nicht den internationalen Normen. Deshalb hat die Staatengemeinschaft keine der in den vergangenen zehn Jahren abgehaltenen Wahlen als legitim anerkannt. Das trifft im Übrigen auch auf den Inhaber des höchsten Staatsamtes zu; Alexander Lukaschenko hat sich im November 1996 durch einen verfassungswidrigen Umsturz vom Präsidenten zum Diktator gemacht.

In einem Interview mit der Zeitung „Handelsblatt“ hat Lukaschenko behauptet, zu Adolf Hitlers Zeiten sei nicht alles schlecht gewesen in Deutschland. Und noch ein Ausspruch Lukaschenkos ging als geflügeltes Wort um die Welt – „ich werde mein Volk nicht in die zivilisierte Welt führen“. Dieses Versprechen hat er gehalten. Ein Beweis dafür ist, daß die Zustände in Weißrußland ständig auf der Tagesordnung der internationalen Politik stehen und wie ein Refrain die Forderung erhoben wird, die Verfolgung der Oppositionellen und der unabhängigen Presse zu beenden.

Der Kampf des weißrussischen Regimes gegen die oppositionell gestimmte Öffentlichkeit richtet sich vor allem gegen die unabhängigen Massenmedien. Mit jeder Kampagne der Machthaber gegen die angebliche Wühlarbeit feindlicher Kräfte gegen Weißrußland, gegen die Umtriebe des Westens, der CIA und anderer Volksfeinde, sprich Feinde des Präsidenten, stärkt das Regime seinen eigenen Propagandaapparat und blockiert zugleich alternative Informationsquellen, denen die demokratisch gesinnten Kräfte vertrauen. Als Ergebnis sind viele bedeutende unabhängige Publikationen im Fluß des Vergessens versunken, und Journalisten, die dem totalitären Regime nicht dienen wollten, verstärken das Heer der Arbeitslosen.

Bei einer Besprechung mit hochrangigen Mitgliedern der Führung im März 2003 verlangte der weißrussische Diktator vom Minister für Information eine Bestandsaufnahme aller Medien im Land. Der Befehl lautete wörtlich – ich zitiere –: „Diejenigen, die sich nicht anpassen, die nicht im Gleichschritt gehen und die zum Schaden des Staates arbeiten, sind zu liquidieren.“

Das spricht dafür, daß in Weißrußland die unabhängigen Medien keines natürlichen Todes sterben. Sie werden vernichtet, zynisch und skrupellos. Wie bei einem klassischen Mord gibt es Auftraggeber und Mörder. Aber es gibt auch einige Besonderheiten: Die „Killer“ verstecken sich hier nicht hinter einer Maske und tragen auch keine Schußwaffen. Im Gegenteil, sie posieren ganz offen vor den Schildern ihrer Amtsstuben und erläutern, warum sie wieder einen rechtswidrigen Befehl ausgeführt haben, statt sich an die Verfassung zu halten. Diese „Killer“ sind nämlich in der Regel Staatsbeamte und werden vom Regime gedeckt. 

Dennoch, das weißrussische Regime siecht dahin. Deswegen ist für die Machthaber die beste Oppositionszeitung eine verbotene Oppositionszeitung. 

Die Zukunft meines Landes wird heute weder im Kreml noch in Washington oder in Brüssel und schon gar nicht von der Regierung des weißrussischen Diktators bestimmt. Diese Zukunft wird in den Köpfen meiner Mitbürger entschieden. Wie erbittert der Widerstand auch sein mag – wir Journalisten glauben, daß die Zeit nicht mehr fern ist, in der sich anstelle der virtuellen Grabsteine für die unabhängigen Massenmedien in Weißrußland ein reales Monument der Pressefreiheit erheben wird. 

Ich möchte noch einmal der Johann-Philipp-Palm Stiftung und Frau Maria Palm persönlich für Ihre Arbeit, Ihre Unterstützung, Ihre Solidarität und Ihre Anteilnahme für mein Land danken, dessen Zukunft zu einem bedeutenden Teil in den Händen der schreibenden Zunft liegt.

Gott sei gedankt dafür, daß es Sie gibt.

Aus dem russischen Original von Ljasat Paulwitz, Stuttgart