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26.8.2018

Gedenktag für den ermordeten Buchhändler Johann Philipp Palm am 26. August. Wir erinnern an sein Vermächtnis mit der Verleihung des Johann-Philipp-Palm-Preises für Meinungs- und Pressefreiheit am 2. Dezember in Schorndorf

Vor den Toren der österreichischen Stadt Braunau am Inn findet am 26. August 1806 eine fragwürdige Hinrichtung statt. Der aus Schorndorf bei Stuttgart stammende Buchhändler Johann Philipp Palm wird von einem französischen Militärkommando erschossen. Der Vorwurf: Hochverrat gegen Napoleon. Palm habe in seiner Buchhandlung in Nürnberg ein Flugschrift herausgegeben und verbreitet, die zum bewaffneten Widerstand gegen die französische Besatzungsmacht in Deutschland aufgerufen habe.

Was ist dran an dem Vorfall, der nach Einschätzung von Historikern als „Justizmord“[1] gilt?

Mit Napoleons Rheinbundakte vom Juli 1806 wird halb Europa neu geordnet und auch das stolze Nürnberg verliert mit sofortiger Wirkung seinen Status als Freie Reichsstadt. Es soll zum 15. September an das Königreich Bayern übergeben werden. Zwangsabgaben an die Besatzungsmacht, das zum Teil hemmungslose Verhalten der Soldateska gegenüber der Zivilbevölkerung und das Gefühl der Degradierung zum bedeutungslosen bayrischen Randgebiet befeuern die antifranzösische Stimmung in der Stadt.

In dieser aufgeheizten Situation erscheint unter dem Titel „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ eine Flugschrift in Süddeutschland. Ein anonymer Autor analysiert nicht nur brillant die Kollaboration der deutschen Fürsten mit Napoleon zu ihrem eigenen Machterwerb. Er kritisiert auch die gnadenlose Machtpolitik des Franzosenkaisers unter dem Deckmäntelchen der Freiheit. Und er ruft zum bewaffneten Widerstand gegen die Besatzungsmacht auf. Die Angelegenheit wird sofort nach Paris vor Napoleon gebracht. Der befiehlt ohne viel Federlesen, die Verantwortlichen zu verhaften erschießen zu lassen.

Als Verleger und Verbreiter der Flugschrift wird rasch der aus Schorndorf stammende Buchhändler Johann Philipp Palm ausgemacht. Er wurde 1766 in der elterlichen Apotheke am Schorndorfer Marktplatz geboren, ging bei seinem Onkel in Erlangen als Buchhändler in die Lehre und übersiedelte 1796 nach Nürnberg. Dort heiratete er und übernahm die Stein´sche Buchhandlung seines Schwiegervaters in guter Lage in der Altstadt.

Als Palm von der Militärpolizei verhaftet wird, bleiben er und sein Anwalt zuversichtlich: Laut Reichsverfassung darf nur der Autor, nicht der Verbreiter, einer Schrift für deren Inhalt zur Rechenschaft gezogen werden. Doch was nützt die alte Reichsverfassung im herrschenden Machtvakuum? Die Herren Stadträte sind mit sich selbst und dem Übergangsprozess beschäftigt. König Max von Bayern legt die Hände in den Schoß, weil ihn der Noch-Nürnberger Palm vor September nichts angeht. Palms Frau bittet an verschiedenen Stellen vergeblich um Fürsprache.

So wird der Zivilist Palm nach Braunau deportiert und dort vor ein Militärgericht gestellt. Er hat keine Chance in diesem lächerlichen Scheinprozess. Sein Todesurteil war schon Wochen vorher von Napoleon persönlich festgelegt worden, der keine Kritik an seiner Person und an seinem Regierungsstil duldet. Keine drei Stunden nach der Urteilsverkündung wird Palm vor der Stadtmauer erschossen.

Eine Biografie aus der Vergangenheit? Mitnichten! Das Bekenntnis „Für Freiheit – gegen Gewalt“ ist zeitlos und braucht damals wie heute starke Fürsprecher

Die Analogien zu den Autokraten und Diktatoren unserer Zeit sind mit Händen zu greifen. Fadenscheinige Verhaftungsgründe, unsichere Prozessverläufe und willkürliche Urteile gegen kritische Medienschaffende oder Menschenrechtsaktivisten sind in vielen Ländern der Welt – leider auch in Europa – keine Seltenheit. Allein für das Jahr 2018 konnte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ bereits über 60 getötete Journalisten und Blogger nachweisen, deren Tod in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer kritischen Berichterstattung stand.[2] Die Dunkelziffer der Vermissten, Verschwundenen und derer, bei denen ein solcher Zusammenhang vermutet aber bislang nicht nachgewiesen ist, liegt weitaus höher. Die Ausübung des verbrieften Grundrechts auf freie Meinungsäußerung ist bis heute keine Selbstverständlichkeit.

An diese traurige Tatsache erinnert der Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit. Er ist nach dem Buchhändler Palm benannt und wird in diesem Jahr zum 9. Mal von der Schorndorfer Palm-Stiftung e.V. verliehen:

  • Štefica Galić aus Bosnien setzt sich seit Jahrzehnten als Journalistin und Menschenrechtsaktivistin gegen den wieder erstarkenden Nationalismus in ihrem Land ein.
  • Josephine Achiro Fortelo aus dem Südsudan kämpf als Radiojournalistin mit der Waffe des freien Wortes gegen Gewalt, Armut und Unwissen in ihrem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land, das zu einem „lost state“ zu werden droht. Beide Frauen wurden schon mehrfach bedroht und tätlich angegriffen.

Beide werden die mit insgesamt 20.000 € dotierte Auszeichnung beim öffentlichen Festakt am 2. Dezember 2018 in der Barbara-Künkelin-Halle in Schorndorf persönlich entgegennehmen. Der Preis steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Herr Winfried Kretschmann. Den Festvortrag hält Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, ehem. UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Interessierte sind jetzt schon herzlich eingeladen.

 

[1] Berndt Thure von zur Mühlen: Napoleons Justizmord an dem deutschen Buchhändler J. Ph. Palm. Frankfurt/ Main 2003.

[2]  "Barometer" von Reporter ohne Grenzen, abgerufen am 20.8.2018

 

Weiterführende Informationen: 

 

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