Palm-Stiftung

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Dankesworte von Christian Führer, Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, Initiator der Leipziger Montagsdemonstrationen

Liebe Damen und Herren!

Eine tunesische Journalistin und ein Leipziger Pfarrer, die sich dazu nie begegnet sind, was haben die gemeinsam?

Den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit, erstmals verliehen, zurückgehend auf den persönlichen Mut eines Einzelnen gegen die Arroganz der Macht eines Einzelnen im „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung.“

Herzlich danke ich Ihnen für diese Ehrung, in der der Mut oder besser gesagt die Überwindung der Angst vieler Einzelner geehrt wird, die die Bergpredigt JESU zusammenfassten in dem Ruf „Keine Gewalt!“ und diesen Ruf nicht nur skandierten, sondern konsequent praktizierten und damit ein Wunder biblischen Ausmaßes auslösten. Die mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ eine Zivilcourage entwickelten, die wir in dieser Breite in Deutschland seit 1933 so schmerzlich vermissten.

Das alles war so ziemlich genau das Gegenteil von dem, wozu die Menschen erzogen worden sind. Die politischen suggestiven und repressiven Entmündigungsmechanismen sind weitgehend bekannt. Wie aber wuchs das Kind zu Hause auf im trauten Kreis der wohlmeinenden Familie?

„Drängle dich, Kindlein, nie vor!
Wenn du singst, singe im Chor.
Halte dich stets in der Mitte:
Hinten und vorn gibt es Tritte!
Angenehm lebt in der Welt,
wer heimlich beißt und nicht bellt.“
(Ensikat, „Herkuleskeule“, Dresden)

Das macht keine Revolutionäre. Das bringt keine Protestanten hervor. Da hätten das privilegierte und mauergeschützte Wohlstandsleben im Westen und das grautriste und mauergesicherte Ghettoleben im Osten des geteilten Deutschlands noch lange vor sich hin existiert. Wenn nicht... Wenn nicht auch andere Gedanken und Vorstellungen die Menschen ergriffen hätten.

Mir persönlich stand immer die Frage vor Augen: „Was würde JESUS dazu sagen?“

Da geht es schon los mit den Schwierigkeiten. Denn JESUS sagt: „Ihr seid das Salz der Erde.“(Matth. 5,13a) Nicht die Creme? Nicht die Oberschicht? Salz also. Hineinwirken in die Gesellschaft also. Nicht bei sich bleiben. Sich einmischen. Denn keine Weltanschauung oder Wirtschaftsordnung, kein Staat und kein System sind heilig zu sprechen. Müssen im Sinne JESU vermenschlicht werden.

Brauchen das Salz, damit das Ganze nicht ungenießbar wird.
Brauchen das Salz, damit das Ganze nicht verfault.
Brauchen das Salz, um das Eis der Entsolidarisierung und die Starre der Gewohnheit aufzutauen.
Brauchen die Wenigen, die sich in die Masse hineinwagen.
So ist das bis heute.
Und so haben wir uns auch dieser Gesellschaft nicht angepasst. 

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat nach 10 Jahren Faschismus 1943 die Frage gestellt: „Sind wir noch brauchbar?“ Dieser Frage müssen auch wir uns immer wieder stellen, sie uns wie Bonhoeffer von Jesus gefallen lassen, der vom Salz weiter sagt:

„Wenn nun das Salz seine Wirkung verliert, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es fortschüttet und von den Leuten zertreten lässt.“ (Matth.5, 13b)

Nach einer Kirchenführung kam eine Frau aus den alten Bundesländern zu mir, sagte voller Anerkennung und Bewunderung: „Dass Sie das geschafft haben gegen diese Diktatur!“ Um im Blick auf die Gegenwart fortzufahren: „Aber gegen die Macht des Geldes kommen auch Sie nicht an.“

Wenn wir uns 1989 ernsthaft gefragt hätten, ob wir gegen das DDR-Regime mit all seiner militärischen und paramilitärischen Macht ankommen könnten, ob wir womöglich gar so etwas wie eine Revolution schaffen würden, und all das noch friedlich, hätte es nur eine Antwort gegeben: Niemals!

Aber das ist eben das Besondere. Jesus sagt nicht: „Könntet ihr vielleicht die Salzrolle in der Welt übernehmen; traut ihr euch zu, Salz zu sein?

Jesus sagt einfach „Ihr seid das Salz der Erde.“ Indikativ. Präsens.

Und so sind wir es also, Salz der Erde. Sagen das Wort und mischen uns ein.

  • Warnen vor dem Präsidenten, der durch die Welt zieht, um die Staaten und Völker zum Krieg einzuladen.
  • Denken dagegen an und stehen dagegen auf, wenn Neonazis mit ihren
  • gewaltverherrlichenden Parolen auf unsere Straßen wollen.
  • Versuchen, die Oppositionsparteien darauf aufmerksam zu machen, dass
  • Wahlkampf und Bundestagswahl bereits vorbei sind – und die Regierungskoalition, dass sie nun wirklich regieren darf und nicht mehr länger warten muss.
  • Weisen penetrant darauf hin, dass – Hartz hin oder Hartz her – der Skandal der Arbeitslosigkeit in dieser Größenordnung beseitigt werden muss.
  • Müssen den Menschen vermitteln, dass Demokratie nicht ohne das Volk funktioniert und Einkaufen kein Lebenszweck ist.
  • Fragen scheinbar naiv, dazu nachhaltig, ob die Demokratie notwendigerweise mit gnadenloser Marktwirtschaft gekoppelt sein muss.
  • Und rütteln an den Grundfesten mit der Feststellung: Der 2. Teil der Revolution steht noch bevor.

Es ist undenkbar, dass es nicht ausreichend kluge Menschen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gibt, die Ursachen und Wirkungen genau kennen, dazu taugliche Lösungsversuche. Aber es fehlt an Zivilcourage: Ohne Rücksicht auf Stellung und Gehalt das offene, wahre und womöglich unpopuläre Wort zu sagen und umzusetzen.

So müssen die führenden Personen in Politik und Wirtschaft also zunächst palm-preis-würdig gemacht werden, damit wir nicht wieder „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ betrauern und beklagen müssen.

Das Preisgeld übrigens kommt in voller Höhe unserem kirchgemeindeeigenen Kindergarten zugute.

Danke!