Palm-Stiftung

PALM-STIFTUNG
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Dankesworte von Pedro Matías Arrazola, Journalist aus Mexiko

Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands der Palm-Stiftung,
Sehr geehrte Preisträgerin Frau Abbasgholizadeh, 
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Gäste,

Heute darf ich einen unvergesslichen Tag erleben; und ich hoffe, es wird auch ein solcher für meinen Sohn Sebastián sein. Ihm werde ich keine materiellen Werte vererben können, aber doch die Lehre, dass die größte Erfüllung darin liegt, unsere Nächsten, vor allem die Vergessenen, zu unterstützen. Das dürfen wir heute mit diesem Preis erleben.

Vielen Dank für diese unverdiente Auszeichnung.

Ich möchte Gott dafür danken, dass er mich heute seine Gnade und Güte erleben lässt. Leider kann ich viele Journalisten-Kollegen aufzählen, die dieses Glück nicht hatten, die ums Leben gekommen sind, ohne dass sie Gerechtigkeit erfahren hätten.

Ich bin keine Ausnahme des Spruches „der Prophet gilt nichts im eigenen Land“. Für mich ist dies jedoch nicht von Bedeutung, weil ich meine Arbeit nicht ausführe, um mich bei den Mächtigen beliebt zu machen, Privilegien zu erlangen oder um Profite zu erzielen. In vielen Orten Mexikos ist die journalistische Arbeit leider korrumpiert und instrumentalisiert worden. Sie dient der Politik und Einzelinteressen oder ist zu einem rein profitorientierten Geschäft geworden. Selbstverständlich hat mein Beruf für mich Konsequenzen gehabt, so etwa Bedrohungen und Belästigung durch Staatsanwälte bis hin zu einer Entführung. Aber ich habe das Glück, noch am Leben zu sein.

In der Zeit nach meiner Entführung hat Deutschland eine große Rolle für mein Überleben gespielt; und ich danke an dieser Stelle der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, dass sie mich unterstützt hat. In dieser Phase der Wiedergeburt war Deutschland für mich ein Lichtblick und ein Zeichen dafür, dass ich auf dem richtigen Weg bin, und dafür, dass viele engagierte Menschen einen begleiten und sich für ihren Nächsten einsetzen. Die Seele, der Kern der Palm-Stiftung, liegt in diesem Grundgedanken. Der Großmut und die Menschengüte ihrer Gründer Elsa Maria und Johann-Philipp Palm weisen über deren eigene Existenz hinaus. Sie rufen als Vorbilder die Motivation zum sozialen Engagement in uns hervor, egal welchen Beruf wir ausüben.

Ich möchte aus diesem Grund den Rahmen nutzen, den mir die Palm-Stiftung gegenüber der internationalen Öffentlichkeit heute gewährt, um die außerordentlich problematischen Verhältnisse anzuklagen, die in Mexiko herrschen. Das gilt vor allem für die journalistische Branche: Mindestens 66 Morde, 12 Fälle von Verschwindenlassen, 18 Attentate auf Medieneinrichtungen und 629 Dossiers über Gewalt an Journalisten sind von der Nationalen Menschenrechtskommission in den letzten zehn Jahren dokumentiert worden.

Nach den Statistiken der Nationalen Menschenrechtskommission, sind die für die Gewalttaten verantwortlichen Stellen: die Nationale Staatsanwaltschaft mit 81 Fällen, die Sicherheitspolizei mit 38 Fällen, das Militär mit 29 Fällen, der Gerichtshof des Bundesstaates Oaxaca mit 13 Fällen und die Staatanwaltschaft des Bundesstaates Veracruz mit 12 Fällen. Es wiegt schwer, dass von den erwähnten 629 Fällen, welche die Nationale Menschenrechtskommission dokumentiert hat, 275 aus der sogenannten Übergangszeit zur Demokratie stammen, die von Präsident Fox eingeleitet wurde. 308 Fälle wurden in den ersten drei Regierungsjahren des heutigen Präsidenten Calderón registriert. Dies zeigt, dass die Anzeigen ständig zunehmen.

Gewalt gegen Journalisten wird weltweit als ein Angriff auf den Staat, auf die Demokratie bewertet. Mexiko entbehrt jedoch einer Gesetzgebung, die die Stellen zur Verantwortung ziehen könnte, die die Empfehlungen der Nationalen Menschenrechtskommission nicht befolgen.

Zusammenfassend ist zu betonen, dass der mexikanische Staat noch einige Aufgaben zu bewältigen hat, vor allem, was den Schutz der Rechte von Journalisten angeht, die immer wieder schweren Bedrohungen, Entführungen, Folter und Mord ausgesetzt sind. Es ist außerordentlich riskant, in Mexiko ernsthaften Journalismus zu betreiben. Wir leben in einem Land, das sich darauf beschränkt, Morde und Gewalttaten gegen Journalisten zu dokumentieren oder höchstens verbal zu verurteilen, anstatt diese nachhaltig zu untersuchen und aufzuklären. Wir sind ja nur ein Teil der Statistik.

Was den Bundesstaat Oaxaca anbelangt, so haben wir dort 80 Jahre lang unter der Herrschaft der gleichen Partei gelitten. Dieser Zustand führte im Jahr 2006 zu einer großen sozialen Bewegung. Während dieser Erhebung wurden rund 200 Morde begangen, mehr als 600 Festnahmen und 380 Fälle von Folterungen sind dokumentiert.

Die Perspektive von Mexiko ist wenig ermutigend. Wenn sich diese Angriffe auf Medienschaffende fortsetzen, wird die Meinungsfreiheit immer weiter eingeschränkt. In manchen Orten hat das organisierte Verbrechen bereits die vollständige Kontrolle über das politische, wirtschaftliche und soziale Leben übernommen. 

Der Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit 2010 ermutigt mich aber, meine Aufgabe weiterzuführen. Ich habe das Ziel, einen menschlichen Journalismus zu betreiben, der den Vergessenen eine Stimme gibt, der sie sichtbar macht für die korrumpierten Politiker, die die Menschen nur als Mittel zum Zweck ihrer Wahl benutzen und sie vergessen, sobald sie an der Macht sind. 

Aus dem spanischen Original: Teresa Ávila, München